Kurator42: Der Newsletter #01/23
+++ Troll +++ Sweet Bobby +++ This Film Does Not Exist +++ Gruppe B +++ Wayne Manor +++ MEHR +++
Film-, Serien und Schautipps
Das Team hinter Dark, der gefühlt einzigen international gefeierten deutschen Serie, hat mit 1899 eine neue Mystery-Thriller-Serie geliefert. Und die ist herrlich abgedreht. Eine Gruppe europäischer Auswanderer befindet sich im Jahr 1899 auf einem Passagierschiff nach New York. Der Kapitän stößt auf ein Signal, das vom verschwundenen Schiff Prometheus stammt. Die Crew entdeckt das Schiff – und auf ihr einen Jungen, der eine kleine Pyramide bei sich trägt. Plötzlich scheint die Realität auf den Kopf gestellt. Passagiere springen wie unter Hypnose über Bord, es tun sich Zugänge zu fremden Orten auf und ein mysteriöser Fremder nutzt ein futuristisches Gerät, um das Schiff zu manipulieren.
1899 ist voller herrlicher WTF-Momente und Szenen, die zunächst keinen Sinn ergeben wollen. Langsam, aber keineswegs träge weitet sich mit jeder Folge die Perspektive. Nach und nach lassen sich all die Merkwürdigkeit zu einem vollständigen Bild zusammensetzen, das dann eine harte Wendung in der gesamten Handlung bedeutet. Die deutsche Produktion ist ansehnlich gefilmt und liefert überraschend gute Effekte. Jedoch ist sie keineswegs für jeden. Man muss sich auf die strangeness einlassen und Spaß daran haben, zu puzzeln, verwirrt und irritiert zu werden. Und man muss mit einem brutalen Cliffhanger leben können. Leider hat Netflix die Produktion nämlich bereits abgesägt.
1899 ist bei Netflix verfügbar.
Bei Bauarbeiten für einen neuen Eisenbahntunnel durch eine Berglandschaft in Norwegen kommt es zu einem Unfall. Es wurde etwas aufgeweckt … eine alte Macht, die heute für Folklore und Spinnerei gehalten wird: ein riesiger Troll. Er stapft durch die Landschaft und macht sich dann geradewegs auf nach Oslo. Die Regierung kann und möchte das zunächst nicht glauben. Die Einzigen, die helfen können, sind die Paläontologin Nora Tidemann und ihr Vater, ein zurückgezogen lebender Mythologe und Spezialist für die nordische Sagenwelt.
Der Film von Roar Uthaug scheint zunächst wie ein norwegischer Godzilla-Film, aber zeigt sich dann erstaunlich vielschichtig und reflektiert. Denn der Streifen nimmt sich selbst nicht gänzlich ernst. Ebenso konstruiert er um den wie eine Urgewalt scheinenden Troll eine clevere Metapher, die die Verantwortung der Menschheit für die Umwelt adressiert und davor warnt, dass ein allzu rücksichtsloser Umgang mit ihr sich irgendwann rächen könnte. Das ist unterhaltsam, überraschend und ziemlich beeindruckend.
Troll ist bei Netflix verfügbar.
The Menu ist für mich schon jetzt einer der besten Filme des Jahres. In ihm begleitet Margot den sehr von feinem Essen besessenen Tyler zu einem exklusiven Event auf einer Insel. Der exzentrische Küchenchef Julian Slowik verköstigt dort für viel Geld wohlhabende und arrogante Gäste mit ungewöhnlichen Kreationen. Er gleicht eher dem Führer einer Sekte als einem Spitzenkoch. Dieses mehrgängige Menü soll das letzte Mahl sein – für ihn selbst, wie auch für seine Gäste.
Der Film von Mark Mylod ist brillant inszeniert. Es ist imposant, wie sich absurde, erschreckende und amüsant-irre Momente aufeinanderstapeln und wie gekonnt sich die Eskalationsspirale immer weiter nach oben dreht. Ralph Fiennes ist in der Rolle des Küchenchefs beängstigend überzeugend. Nur wenige andere hätten ihn so glaubwürdig spielen können. Und auch Anya Taylor-Joy ist eine Idealbesetzung in diesem Film. Nur die Kameraarbeit empfinde ich als etwas dröge.
The Menu ist bei Disney+ verfügbar.
Podcast-Tipps
Kirat ist Radiomoderatorin. Eines Tages wurde sie auf Facebook von einem entfernten Bekannten angeschrieben, Bobby. Beide chatteten – immer öfter. Sie schienen viel gemeinsam zu haben. Kirat verliebte sich in Bobby. Sie begann eine Internetbeziehung mit ihm. Sie machten Pläne, die aber immer wieder von Schicksalsschlägen durchkreuzt wurden. Jedenfalls glaubte die Moderatorin das. Denn Bobby war nicht der, der er vorgab zu sein. Es ist eine unglaubliche Geschichte, die Alexi Mostrous in Sweet Bobby aufarbeitet – tragisch, spannend und auch verdammt traurig.
Im Mai 2017 kam es nach einem Konzert in der Manchester Arena in Großbritannien zu einem Terroranschlag. Zahlreiche Menschen wurden getötet und verletzt. Bis heute behaupten Verschwörungstheoretiker, das alles sei fake. Sie verbreiten, dass die Verletzten nur Schauspieler waren. In Disaster Trolls spürt die BBC-Journalistin Marianna Spring all dem nach und dem, was die selbsternannten Enthüller mit ihrem Treiben anrichten. Sie porträtiert Opfer des Anschlags und macht sichtbar, wie die wirren Erzählungen sie verfolgen. Aber vor allem offenbart Spring die zuweilen erschreckend brechenden Motive der Verschwörungstheoretiker.
Spieltipps
Half-Life 2 ist eines der wichtigsten und prägendsten Videospiele. Aber als es 2004 und damit nach fünf Jahren der Entwicklung erschien, war es ziemlich anders als einst geplant. Wie Leaks und ein Bildband offenbarten, war der Ego-Shooter einst deutlich düsterer, dystopischer und beklemmender geplant. Die post-sowjetische City-17 sollte ein finsterer Art-Deco-Moloch sein, es sollte durch Folterlabore und tote Landschaften gehen, für die die Alien-Invasoren der Combine verantwortlich sind. Mich hat diese Version von Half-Life-2 immer fasziniert – und damit bin ich nicht alleine.
Mit Raising the Bar: Redux ist nun eine Mod erschienen, die versucht, dieses Half-Life 2 zu verwirklichen. Oder zumindest ein Teil davon. Denn das ist ein gewaltiges Unterfangen – seit über sieben Jahren werkelt eine kleine Gruppe daran. Das Team hat unter dem Titel Division 2 nun eine unfertige Version der Modifikation veröffentlicht, die rund ein Drittel bis die Hälfte des ursprünglich geplanten Half-Life 2 ausmachen dürfte. Und das ist durchaus imposant. Die Mod, die viele Inhalte des Games grundlegend überarbeitet, fängt die Atmosphäre gut ein und zeigt, was hätte sein können. Ich bin beeindruckt.
Artikel-Lesetipps
Extremely Hardcore
Ende letzten Jahres hat Elon Musk das Social Network Twitter gekauft. Seitdem hat er das Unternehmen auf den Kopf gestellt. Er hat Tausende Mitarbeiter entlassen und etliche weitere dazu gebracht, zu kündigen. Er hat eine hardcore-Arbeitseinstellung eingefordert, einen Teil der Ausstattung des Twitter-HQ in San Francisco versteigert und Büros und Konferenzräume in Behelfsschlafzimmer umrüsten lassen. Das New York Magazine und The Verge haben nun gemeinsam eine Recherche veröffentlicht und dafür mit aktuellen und ehemaligen Twitter-Mitarbeitern gesprochen, um Einblick in Twitter under Musk zu bekommen; zu erfahren, wie die Übernahme ablief und wie es sich unter dem zuletzt immer erratischer erscheinenden Milliardär arbeitet.
On Christmas Eve, Twitter abruptly shut down a data center in Sacramento, one of the company’s three serving regions; it also announced it would significantly downsize a data center in Atlanta. Within hours, Twitter had to redirect a large amount of traffic to its remaining data centers, threatening the stability of the platform. Engineers struggled to keep the service running.
Mystery Antennas Turning Up in Utah Have Officials Stumped
Es ist eine herrlich merkwürdige Geschichte. Rund um Salt Lake City finden Wanderer immer wieder merkwürdige Antennen – angeschlossen an ein Solarpanel und eine Plastikkiste. Seit Monaten tauchen sie auf Bergen, Hügeln und auch auf flachem Gelände auf. Bisher ist nicht bekannt, wofür sie da sind. Aber es gibt so einige Vermutungen.
Another idea put forward in recent days involves the antennas being used as hotspots with Helium, a wireless blockchain system that, according to its website, “represents a paradigm shift for decentralized wireless infrastructure.”
This Film Does Not Exist
Text-zu-Bild-Generatoren haben sich binnen kürzester Zeit zu einer disruptiven Kraft entwickelt. Und zu einer kontroversen Technologie. Mit einigen Worten lassen sich mit ihnen Bilder erzeugen. Und das dank riesiger Mengen an Bildern, mit denen eine Künstliche Intelligenz trainiert wurde. Die wurden genutzt, ohne dass die Urheber gefragt wurden. Das ist ein Problem, das adressiert werden muss, darüber schrieb ich schon Ende letzten Jahres. Noch spannender sind jedoch die kulturellen und kreativen Implikationen der Technik. Insbesondere erschaffen immer mehr Menschen mit solchen KI-Tools fiktive Filme – oder besser gesagt: Standbilder aus Filmen –, die es so nicht gibt. Sie nutzen Text-zu-Bild-Generatoren, um zu visualisieren, wie Tron aussähe, wenn es Alejandro Jodorowsky gedreht hätte. Oder wie eine Weltraumoper von David Cronenberg ausschauen könnte. Was das bedeutet, darüber hat der Dokumentarfilmer Frank Pavich in der New York Times philosophiert, der eine Doku über einen der besten Filme drehte, den es nie gab.
I couldn’t find anything because there was no film. There was no actor. There was no anything. These images were another A.I. creation. And I had known that right from the start. Yet still, I hoped that somehow it was real. I’m still annoyed at Mr. Darrell for making me want what I cannot have.
Komischer und cooler Kram aus dem Netz
Der Irrsinn der Gruppe B
Was, wenn Rennwagen zu kraftvoll, zu schnell … einfach zu gefährlich werden? Genau das war von 1982 bis 1986 bei der Rallye-Weltmeisterschaft der Fall. Und zwar, als in diesem Zeitraum die sogenannten Gruppe-B-Fahrzeuge auf die unberechenbaren Pisten durften. Wagen wie der Lancia Rally 037 und Audi Sport Quattro S1 waren so rasant unterwegs, dass nur wenige Fahrer sie wirklich beherrschen konnten. Es kam zu zahlreichen tragischen und mehreren tödlichen Unfällen, die zu einem Verbot der Group B Monsters führten. Dennoch umgibt die Gruppe B bis heute ein mystischer Hauch der Faszination und des Wahnsinns, den dieses Video ziemlich gut einfängt.
Cheetos für die Nachwelt
Was, wenn unsere Welt untergeht? Was sollten wir jenen hinterlassen, die irgendwann auf die Ruinen unserer Zivilisation stoßen? Laut diesem Typen hier: eine Packung Flamin' Hot Cheetos. Er hat sie in Kunstharz gegossen und in einen Stahlbetonsarkophag verpackt, der irgendwo im Nirgendwo für die Nachwelt verbuddelt wurde. Ich finde es großartig.
Auf dieser Website könnt ihr mit alten Amiga-Betriebssystemen herumspielen.
Leben auf der weltgrößten Tankstelle
In den USA ist alles größer. Die Häuser, die Burger, die Autos … und auch die Tankstellen. Das kann regelrecht absurde Ausmaße annehmen, wie die YouTuber Kara und Nate zeigen. Sie verbringen 24 Stunden in der weltgrößten Tankstelle, die zur Kette Buc-ee's gehört. Das 2012 eröffnete travel center in New Braunfels in Texas (wo auch sonst) umfasst 120 Zapfstationen, 1.000 Parkplätze, 83 Toiletten und einen über 6.000 Quadratmeter großen Tankstellenladen.
Mit Laserkraft ins All
In den 1990ern forschten Leik Myrabo und sein Team an einer neuen, nachhaltigen, aber auch kurios erscheinenden Art, um Flugobjekte anzutreiben. Und zwar pulsed plasma propulsion, einem Antriebskonzept, bei dem in sehr kurzer Frequenz Laserlicht eingesetzt wird, um Luft – oder auch andere Gase – in ein sich ausdehnendes Plasma zu verwandeln, dass das Flugobjekt auf diese Weise vorantreibt. Das Prinzip funktioniert, aber scheint mit Myrabo in Rente gegangen zu sein. Seinerzeit war der Forscher überzeugt, dass es nur wenige Jahre dauern würde, bis mit einem Laserschiff sowohl Satelliten als auch Menschen in den Erdorbit gehievt werden.
Die Architektur von Wayne Manor
Es gibt viele Batman-Filme und dadurch viele Versionen von Wayne Manor, dem Wohnort von Bruce Wayne aka Batman. Für Architectural Digest hat sich ein echter Architekt mal einige von diesen angeschaut.
Andrew McCarthy ist Astrofotograf – ich hatte mal mit ihm gesprochen – und hat den grünen Kometen abgelichtet, der gerade das Innere unseres Sonnensystems passiert. Anfang Februar erreicht der eigentlich C/2022 E3 genannte Komet seine größte Annäherung an die Erde.
Naja, … ja, gut. Finde ich super. Ich mochte den Godzilla-Film von Emmerich ja irgendwie. Aber nicht so sehr, wie dieser Mann da.
Wusstet ihr, dass...
… im Jahr 1845 79 Menschen ums Leben kamen, als sie einem Clown dabei zugesehen haben, wie er von vier Gänsen in einer Badewanne einen Fluss entlang gezogen wurde. Jetzt wisst ihr es.