Kurator42: Der Newsletter #10/21
+++ Alternative 3 +++ Washington +++ Hungerspiele +++ ISPs +++ Strahlung +++ Einhörner +++ Fotodiebe +++ C*nt Punt +++
Film-, Serien und Schautipps
Die Börse ist nicht die Wirtschaft, sondern das Casino, das im Stockwerk darüber liegt. Dennoch gerieren sich Hedgefonds und professionelle Trader gerne als wären ihre Spekulationen die Wahrheit des Marktes. Welch Hybris in dieser Einstellung liegt, das hat sich im September letzten Jahres gezeigt, als die von vielen Hedgefonds geshortete Aktie der Videospielladenkette Gamestop ausbrach und plötzlich rasant im Wert stieg – um über 1.000 Prozent. Denn Nutzer auf Reddit waren kollektiv zur Einschätzung gekommen, dass die Aktie unterbewertet ist – und kauften sie, … wenn auch nur, um der Wallstreet eines auszuwischen. Viele weitere schlossen sich an, während sie zu Hause saßen, da draußen eine Pandemie tobte. Die Mini-Doku-Serie Eat the Rich: Wie die GameStop-Aktie die Wallstreet auf den Kopf stellte zeichnet die schräge Geschichte noch einmal nach und stellt einige der mehr oder minder bekannten Protagonisten vor – von denen manche ordentlich Kasse machten, andere eher nicht. Wer sich schon damit beschäftigt hat, lernt wohl wenig neues, aber bekommt noch einmal hier und da ein kleines Update. Nett gemacht, unterhaltsam.
Eat the Rich ist auf Netflix verfügbar.
Housemarque ist eines dieser Videospielstudios, die man entweder kennt und liebt, oder von dem man noch nie gehört hat. Denn das Studio versucht mit seinen Games wie Outland, Alienation und Resogun diesen einzigartigen look und feel am Leben zu erhalten, den die Spiele-Automaten der Arcade-Ära verströmten. Die bereits 2018 erschiene Dokumentation The Name of the Game begleitet die Entwickler des Studios dabei, wie sie ihr – zu dieser Zeit natürlich – neuestes Game auf den Weg bringen. Nämlich einen spirituellen Nachfolger zu Eugene Jarvis’ legendären Robotron, das letztlich als Nex Machina erscheinen sollte und wirklich sehr, sehr, sehr gut ist. Die Doku ist ein nüchterner Blick hinter die Kulissen, der den kreativen Prozess des Studios auf angenehm unaufgeregte Weise aufschlüsselt und dabei die Games-Industrie auch etwas entzaubert.
The Name of the Game ist auf Netflix verfügbar.
Es ist schon irre, was aus dem durchaus ernsthaften Horror-Streifen Freitag der 13. für eine Filmreihe erwachsen ist. Denn Freitag der 13. hat mittlerweile ganze elf Fortsetzungen. Und unter denen ist Jason X wohl der bizarrste Eintrag. Denn in dem wird der scheinbar unsterbliche Massenmörder Jason Voorhees nach einem Massaker in einem geheimen Forschungslabor eingesperrt und tiefgefroren. 455 Jahre und einen Weltuntergang später wollen Archäologie-Studenten der Erde 2 die einstige Erde erkunden und befreien Jason dabei. Was folgt ist ein bizarrer Slasher-Klamauk, den man gesehen haben sollte. Jason schlitzt und hackt sich durch eine klischeehafte Science-Fiction-Kulisse, kämpft gegen Weltraumsoldaten, eine bis an die Zähne bewaffnete Androidin und wird von Nano-Robotern in eine noch über-menschlichere Killermaschine verwandelt. Das alles ist großartig over the top und steht wirklich sinnbildlich für das freidrehende Horror-Kino Ende der 90er/Anfang der 2000er.
Jason X ist auf Amazon Prime Video verfügbar.
Im Juni 1977 wurde in Großbritannien auf ITV eine merkwürdige Episode der Sendung Science Report ausgestrahlt. Sie begann recht unspektakulär. Berichtet wurde über einen brain drain im Königreich. Wissenschaftler und Forscherinnen aus der Welt der Physik, dem Ingenieurwesen und der Astronomie, … sie verschwanden einfach oder verstarben angeblich unerwartet. Wie die Sendung andeutet, könnte dahinter mehr stecken: ein Geheimplan in Erwartung des Klimawandels und anderer möglicher Katastrophen. Es würden Kolonien auf anderen Himmelskörpern errichtetet. Etwa in Form von Basen auf dem Mond, wie sie der Astronaut Bob Grodin gesehen haben will. Oder auch auf dem Mars. Das sei die sogenannte Alternative 3; eine von drei Möglichkeiten, das Überleben der Menschheit zu sichern. Der Beitrag war natürlich ein Hoax, eine Mockumentary; komplett erfunden also. Aber bis heute gibt es Menschen, die überzeugt sind, dass Alternative 3 keine Spinnerei ist.
Alternative 3 ist auf YouTube verfügbar.
Artikel-Lesetipps
Der Aluhut von Washington
Es ist ein winziges Detail in einer Szene in Spider-Man: Homecoming, das viele wohl übersehen. Als Spider-Man das Washington Monument hochgeklettert ist, hält er sich mit einer Hand an dessen Spitze fest. Doch die ist nicht, wie der Rest, aus Granit und Marmor, oder, wie man vielleicht erwarten würde, Gold oder Silber. Sondern Aluminium. Denn als der Obelisk errichtet wurde, galt dieses Metall als unbeschreiblich wertvoll und selten.
Ironically, after all this, on February 23, 1886, less than two years after the Washington Monument’s completion, a recent graduate from Oberlin College, Ohio, by the name of Charles Martin Hall, discovered the process for making aluminum cheap and commonplace.
Warum Filmzusammenfassungen auf TikTok steil gehen
Hat denn keiner mehr die Geduld und Ausdauer, einen Film zu schauen? Genau das könnte man sich aufgrund eines neuen Trends fragen. Auf TikTok erreichen derzeit Clips Millionen von Aufrufen, die Filme wie Gone Girl, The Northman und Serien wie Queen's Gambit zusammenfassen. Doch hinter dem Phänomen steht einiges mehr, wie Rest Of World schreibt.
Turning movies into short videos has been popular in the Chinese-speaking world for years, on video platforms like Douyin (TikTok’s Chinese counterpart), Kuaishou, and Bilibili. And now, as the domestic video industry becomes more competitive, creators capitalizing on their popularity are taking these videos to the banned-in-China platform, TikTok.
Die Suche nach den nächsten Hungerspielen
Wisst ihr noch, welchen Hype es in den frühen 2010ern um The Hunger Games/Die Tribute von Panem gab? Es war riesig. Die auf den gleichnamigen Romanen basierende Film-Reihe mit Jennifer Lawrence, in der Kids in einer dystopischen Zukunftswelt in tödlichen Wettkämpfen gegeneinander antreten, spielte an den Kinokassen fast drei Milliarden US-Dollar ein. The Hunger Games war ein Phänomen – und etliche Studios haben versucht, ihr eigenes Hunger Games zu finden. Es gab die Maze-Runner-Filme, The Giver, The Host, die Percy-Jackson-Streifen, Divergent … und einige mehr. Und alle sind sie mehr oder minder gescheitert. Savannah Walsh wagt in Vanitiy Fair einen kleinen Rückblick.
These films all adhered to a similar formula: promising up-and-coming actors (Saoirse Ronan, Logan Lerman, Lily Collins) played heroic and/or divinely gifted teenagers with the power to stop a tyrannical leader and/or oppressive government structure. Some were set in the future, others in an alternate universe. Most lured in veteran stars for scenery-chewing supporting roles (Kate Winslet, Jeff Bridges, Viola Davis) or hedged in a watered-down love triangle. And all were angling for a piece of the Hunger Games pie.
Was wurde eigentlich aus diesen Monolithen?
Es war ein Phänomen wie gemacht für die Pandemie. Im November 2020 wurde in der Wüste von Utah ein mysteriöser Monolith entdeckt. Danach tauchten plötzlich rund um die Welt ähnliche Stelen auf – mal aus Metall, mal aus anderen Materialien. Bis heute ist nicht klar, was da eigentlich abgelaufen ist. Daher habe ich das ganze nochmal aufgerollt und etwas nachgebohrt.
In Deutschland wurden insgesamt zehn der mysteriösen Pfeiler registriert. Einer davon nahe dem Schloss Neuschwanstein in Bayern, ein weiterer bei den Hessigheimer Felsengärten bei Stuttgart und einer an der Sorpetalsperre in Nordrhein-Westfalen. „Der Monolith wurde damals von unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen an der Sorpetalsperre entdeckt“, sagte ein Mitarbeiter des Ruhrverbands bereits im Juni 2021 gegenüber 1E9. Da niemand einen „Besitzanspruch formuliert hat“ sei der Monolith einfach zügig abmontiert und auf dem örtlichen Betriebshof abgestellt worden.
Komischer und cooler Kram aus dem Netz
Ich weiß nicht genau wieso, aber die Tage hatte ich mich gefragt, welches wohl die ältesten noch aktiven ISPs – also Internet Service Provider – sind. Die Antwort...
The World – Gestartet im November 1989. Im selben Monat hat sich der erste Nutzer eingewählt. The World ist heute noch aktiv, bietet Hosting, WebMail und eine Usenet-Gruppe. Eine der nennenswertesten Websites, die das Unternehmen hostet ist das Wombat Information Center. Von 1994 bis 2000 nutzte The World die Domain world.com, die es dann aber verkaufte. Die gehört heute der World Media Group, einem Domain-Verkäufer, der mit eben solchen generischen Domains handelt.
Panix – Gestartet 1989. Es ist der älteste ISP in New York City, bietet Standard-Internet und Standleitungen, E-Mail, eine Usenet-Gruppe, Unix-Computing-Dienste und Beratung in Sachen Internet-Bereitstellung. Panix war 1996 das mutmaßlich erste Opfer einer Denial-of-Service-Attacke. Gott, ich liebe das oldschoolige Design der Website von Panix!
GreenNet – Den britischen ISP GreenNet gibt’s eigentlich bereits seit 1985. Er ist als Non-Profit-Kommunikationsnetz für Umweltaktivisten gelauncht, aber hat sich dann binnen einiger Jahre zu einem der ersten Internetanbieter in Großbritannien entwickelt. GreenNet ist heute noch aktivistisch unterwegs und kooperiert etwa mit Privacy International und dem Equal Rights Trust.
Am 3. Juni 1985 machte sich Katherine Yarbrough ins Kennestone Regional Oncology Center auf, um mit einer Strahlentherapie gegen ihren Krebs anzukämpfen. Sie kannte die Prozedur, mehrfach war sie schon bestrahlt worden. Aber etwas war an diesem Tag anders. Als der Therac-25-Linearbeschleuniger hochfuhr und sie beschoss, spürte Katherine abrupt einen Schmerz. Sie fühlte sich, als habe sie das riesige Gerät verbrannt. Etwas das nicht sein konnte, weil es nicht sein durfte. In den Wochen darauf musste ihr eine Brust amputiert werden. Ihre linke Schulter und ihr linker Arm wurden dauerhaft taub. Der Grund? Ein simpler aber schwerwiegender Software-Fehler, durch den nicht nur Katherine, sondern mindestens fünf weitere Patienten mit der 100fachen Strahlenlast beschossen wurden. Drei Patienten starben sogar.
Das 9-Euro-Ticket hat vielen Menschen gezeigt, dass sich auch mit der Bahn ganz gut verreisen lässt – wenn sie denn fährt. Chronotrains ist eine interaktive Karte, die veranschaulicht, wie weit man in Europa binnen fünf Stunden mit der Bahn kommen kann. Faszinierend und nützlich!
In Magdeburg steht das Skelett eines magischen Wesens – eines Einhorns, um genau zu sein. Das ist es jedenfalls, was Otto von Guericke über seine absurde Rekonstruktion gesagt haben soll. Gefunden wurde das ursprüngliche Gerippe wohl 1663 bei Quedlinburg. Es handelte sich um einen Schädel, mehrere Beinknochen, einige Rippen und Wirbel – der Rest wurde offenbar zerstört oder ging verloren. Otto von Guericke war Letzteres offenbar egal und er versuchte aus dem Knochenwust ein Tier zu basteln, das dann bildlich festgehalten und verbreitet wurde. Unter anderem von Michael Valentini und Gottfried Wilhelm von Leibnitz. In den 1990ern hat der Präparator Urs Oberli dann eben jenes Einhorn „nachgebaut“, das aus den Knochen unterschiedlichster Tiere besteht. Heute befindet es sich im Museum für Naturkunde in Magdeburg.
Untitled (cowboy) ist ein Kunstfoto von Richard Prince, das 2005 für 1,2 Millionen US-Dollar verkauft wurde. Einige Jahre später ging ein weiteres Werk aus der gleichen Serie von Fotografien bei einer Auktion für 3,4 Millionen US-Dollar weg. Das Problem: Diese Bilder – oder eher: was darauf zu sehen ist – hat nicht Prince selbst festgehalten. Es sind Ausschnitte aus Werbeplakaten und Zeitungsanzeigen für die Zigarettenmarke Marlboro, die Prince abfotografiert und vergrößert hat. Die ursprünglichen Fotografien stammen von Fotografen wie Jim Braddy, Sam Abell und Hannes Schmid. Auch heute noch entflammt die Serie von Prince Debatten über künstlerische Aneignung, Urheberrecht und Kunstfreiheit.
Rebecca Martinson schrieb eine E-Mail. Heute ist diese Mail legendär, sie ist ein Meme, ein Kunstwerk – und sie bereut es nicht. Und nichts toppt dieses Video, in dem Michael Shannon diese E-Mail vorliest.
Hongkong ist eine Stadt, die in einem interessanten Spannungsfeld existiert. An wenigen Orten treffen das Alte und das Neue so harsch aufeinander. Das zeigt sich auch im Stadtbild, das von modernen Hochglanzhochhäusern ebenso wie von Pagoden geprägt ist, die dort seit Hunderten von Jahren stehen. Ein Teil an Historie droht aber nun nach und nach aus dem Stadtbild zu verschwinden. Nämlich Verkehrsschilder, die bis 1997 von Häftlingen handgemalt wurden – und nun durch moderne Prägeschilder ersetzt werden. Eine Organisation namens Road Research Society will diese traditionellen Schilder digitalisieren und daraus eine Schriftart namens Prison Gothic entwickeln.
Wusstet ihr, dass...
… Volkswagen auch Wurst herstellt? Genauer gesagt: eine geräucherte Bockwurst, die vor allem für Currywurst verwendet wird. Volkswagen begann die Herstellung eigener Würste für die Werksmitarbeiter und hatte sogar eigene Werksfleischer. Die besagte Bockwurst ist seit 1973 ununterbrochen in der Produktion und wird in den eigenen Kantinen angeboten, ist aber auch in mehreren Ländern im Einzelhandel zu haben. Ebenso kann jeder VW-Händler sie über das interne Buchungssystem ordern, da die VW-Wurst auch ein VW-zertifiziertes Originalteil ist. Die Wurst hat die Teilenummer 199 398 500 A.